Vogelbeere: Giftig, genießbar oder sogar gesund?
Sammler lassen von ihren knalligen Früchten lieber die Finger. Schließlich sind sie für den Menschen gefährlich, stimmt’s? Was an diesem Gerücht dran ist und was wirklich in den Minibeeren steckt – wir verraten es dir!
Vogelbeere & Eberesche: Gibt’s einen Unterschied?
Gesehen hat die Vogelbeere (auch Vogelbeerbaum) wohl jeder schon mal. Das anspruchslose Gewächs gedeiht in vielen Teilen der Welt und gehört auch bei uns zur heimischen Fauna. Aber was ist das eigentlich für ein Baum mit seinen gezackten Blättern und leuchtenden kleinen Früchtchen?
Vogelbeeren (Sorbus aucuparia) zählen zur Gattung der Mehlbeeren und werden der Familie der Rosengewächse innerhalb der Kernobstgewächse zugeordnet. Sie sind auch unter dem Namen Eberesche bekannt – es handelt sich also um dieselbe Pflanze. Andere, wenn auch deutlich seltener verwendete deutsche Namen sind Drosselbeere, Quitsche oder Krametsbeere.
Fun Fact
Dass den Vogelbeerenbaum schon immer etwas Mystisches umgab, belegen die Schriften der Snorra Edda, einem Werk der altnordischen Dichtung und Mythologie. Darin wird beschrieben, wie sich der germanische Gott Thor (der Gewittergott/Donnergott) an einem Ast des Vogelbeerenbaums aus dem Fluss Wimur zog. Die Eberesche galt darum als heilig.
Kann man Vogelbeeren essen?
Heute rankt sich nur noch ein Mythos um die Baumart: dass Vogelbeeren giftig sind. Tatsächlich ist das nichts weiter als ein hartnäckiges Gerücht. Was stimmt: Roh vom Baum kann man die dunkel orangefarbenen bis grellroten kleinen Fruchtkörper, die wie eine Mischung aus Beeren und Miniaturäpfel aussehen, in den allermeisten Fällen nicht essen. Sie enthalten einen Stoff namens Parasorbinsäure, der beim Menschen zu starken Magen-Darm-Beschwerden führen kann. Durch Garen wird die Parasorbinsäure aber in die gesundheitlich völlig unbedenkliche und gut verträgliche Sorbinsäure abgebaut. Es ist also jede Vogelbeere essbar, solange man sie kocht. Es gibt sogar eine Ebereschensorte – die essbare oder mährische Vogelbeere (Sorbus aucuparia var. moravecs, auch var. edulis oder var. dulcis) – die einen höheren Zuckergehalt hat und keine Parasorbinsäure enthält. Sie wird hauptsächlich in Süddeutschland kultiviert und kann auch roh verzehrt werden. Wer nicht vom Fach ist, sollte aber auf Nummer sich gehen, und vor allem selbstgesammelte Ebereschenfrüchte ausschließlich gegart verzehren.
Weitere bekannte Kulturformen der Vogelbeere sind die „Rosina“ und die „Konzentra“, die Mitte der 1940er Jahre zum ersten Mal im Institut für Gartenbau Dresden-Pillnitz angebaut und ein knappes Jahrzehnt später erstmals verkauft wurden.
Gut zu wissen
Sorbinsäure ist nicht nur ungefährlich, sie wird auch als zugelassener Konservierungsstoff in Lebensmitteln, Kosmetik-, Futter- und Arzneimitteln eingesetzt. Zu erkennen ist sie an der E-Nummer E 200.
Wie schmecken Vogelbeeren?
Die enthaltenen Gerbstoffe und Säuren machen die kleinen Früchte im rohen Zustand extrem sauer und bitter. Fachleute benutzen den Begriff „adstringierend“, der so viel bedeutet wie „zusammenziehend“. Gegart und mit Zucker weiterverarbeitet entwickeln die Früchte der Eberesche aber ein fein-säuerliches und fruchtiges Aroma.
Verwendung von Vogelbeeren
Ebereschenbeeren lassen sich sehr gut zu Kompott, Gelee, Konfitüre und Marmelade verarbeiten. Man kann sie pur verwenden oder mit anderen Früchten und Beeren mischen. Im Bayerischen Wald ist es üblich, die Fruchtkörper zu einer süß-säuerlichen Konfitüre einzukochen und – ähnlich wie Preiselbeeren – zu deftigen Wildgerichten zu servieren.
Typisch ist auch die Verarbeitung zu Saft. Wichtig: Die Beeren müssen auch in der Saftherstellung gegart werden, entweder im Kochtopf oder im Dampfentsafter. Wer diesen Aufwand nicht betreiben möchte, kann den Saft der Eberesche fertig kaufen. Er ist allerdings eine kleine Rarität. Die besten Chancen hat man im Internet.
Neben Saft, Konfitüre und Marmelade, kann man recht häufig Hochprozentiges aus der Eberesche erwerben: Vogelbeerbrand wird üblicherweise pur als kleiner Absacker eingeschenkt. Mehr sollte es vermutlich auch nicht sein: Wie anderer Edelbrand auch, kommt der Ebereschenschnaps mit 42 Volumenprozent und mehr daher und steigt einem schnell zu Kopf.
Ganz ohne Umdrehungen kann man sich getrocknete Vogelbeeren oder Konservenware schmecken lassen. Auch hierfür ist das Internet die beste Bezugsquelle.
Vogelbeeren kaufen oder selber sammeln?
Frische Ebereschenfrüchte gibt es ausgesprochen selten zu kaufen. Da muss man schon selbst auf Streifzug gehen, um die leckeren Früchtchen zu ergattern. Die farbenfrohen Dolden hängen ab etwa August üppig in den Ebereschen. Geerntet wird in der Regel ab September. Noch besser ist es, den ersten Frost abzuwarten. Durch die eisigen Temperaturen bauen die Fruchtkörper einen Teil der enthaltenen Säure ab und werden süßer. Da die Beeren auch den Winter über an den Bäumen hängen bleiben, ist eine solch späte Ernte grundsätzlich kein Problem – falls einem andere emsige Vogelbeerenliebhaber nicht zuvorkommen.
Welche Tiere profitieren von der Eberesche?
Wie der Name schon verrät, freuen sich vor allem Amsel, Drossel, Fink und Star über einen Snack vom Vogelbeerbaum. Aber auch Siebenschläfer, Haselmaus und andere Kleinsäugerarten lassen sich das fruchtige Festmahl gern schmecken. Tierschützer empfehlen darum, immer genug Dolden am Baum zu lassen, damit die Wildtiere auch im Winter Nahrung finden. Alternativ kann man mit etwas Vogelfutter das Speisenangebot für gefiederte und fellige Freunde in der kalten Jahreszeit erhöhen.
Wie gesund sind Vogelbeeren?
Der Verzehr der (gegarten) Früchte ist nicht nur ungefährlich, er kann sogar gesundheitliche Vorteile mit sich bringen. Vor allem beim Vitamin C spielen die Früchte des Vogelbeerbaums in der absoluten Top-Liga. 100 g des Baumobstes enthalten etwa 98 mg Vitamin C, was bereits nahezu den Tagesbedarf deckt – bzw. decken würde. Denn diese Angaben gelten natürlich für das rohe Produkt. Da Vogelbeerenbaumfrüchte nur gegart verzehrt werden, muss aus der ernährungsphysiologischen Brille betrachtet auch das „Drumherum“ berücksichtigt werden: Zuckrige Fruchtaufstriche und Vogelbeerbrände sind eher unvorteilhaft. Pur getrocknete Produkte sind insgesamt positiver zu bewerten. Konservenfrüchte sind meist ins Sirup eingelegt.
Neben Vitamin C liefern die Fruchtminis den sekundären Pflanzenfarbstoff Betacarotin und den Ballaststoff Pektin.
Neben den Beeren sind auch andere Teile der Pflanze zum Verzehr geeignet: Die Blätter und Blüten der Eberesche gelten in der Naturheilkunde als wirksam bei Husten, Bronchitis und Magenproblemen. Wissenschaftlich erwiesen ist die Wirkweise für diese Einsatzbereiche jedoch nicht.
Vogelbeere: Nährwerte & Kalorien
Nährwert pro 100 g | Frucht (roh) | Frucht (getrocknet) | Konfitüre | Konserve (abgetropft) |
Kalorien | 101 kcal | 267 kcal | 293 kcal | 522 kcal |
Fett | 2,00 g | 5,25 g | 0,74 g | 1,70 g |
Kohlenhydrate | 17,95 g | 47,08 g | 69,64 g | 23,30 g |
- davon Zucker | 10,20 g | 25,68 g | 66,53 g | 18,82 g |
Eiweiß | 1,50 g | 5,25 g | 0,55 g | 1,27 g |
Vitamin C | 98,00 mg | 205,64 mg | 3,61 mg | 22,83 mg |